Die Pianistin Tamar Beraia in der Allerheiligen Hofkirche
Dass die Pianistin Tamar Beraia in der Allerheiligen Hofkirche als zweite Zugabe solch hemmungslose Virtuosität herausschleudert (Liszt: Mephisto-Walzer Nr. 1), passt dramaturgisch eigentlich nicht. Doch es ergänzt das Bild, das sie von ihrer Kunst bietet. Bis dahin ist der Abend grundlegend anders: geprägt von tiefer Konzentration und berührender Sensibilität. Ein Konzert mit Debussys Ohrwurm Nr. 1 Clair de Lune zu beginnen, ist ungewöhnlich. Aber: Beraia darf das, denn bei ihr ist das Stück nicht kitschig süß, sondern schlicht und anmutig. Eigentlich verwunderlich, denn ihre verzögernden Effekte dosiert sie keineswegs zurückhaltend. Doch die Farbigkeit, die Beraia erzeugt, ist berückend.
Zudem ist dies der ideale Beginn einer Programmhälfte, die sich mit Werken von Luciano Berio (Luftklavier, Wasserklavier, Feuerklavier), Debussy (außerdem noch Feux d’artifice und Reflets dans l’eau aus Images), Ravel (Jeux d’eau) und Manuel de Falla (Danza ritual del fuego) kontinuierlich von der Farbenmelodie zur Motorik hin entwickelt. Mimische und gestische Verführungskünste gibt es dabei nicht zu bewundern. Aber ein Klangerlebnis, das in seiner Präzision und Ausgewogenheit begeistert. So meistert Beraia auch Schumanns Carnaval op. 9, der jede Nuance einfordert, die Klavierspielen beinhalten kann. Beraias Ton ist mitunter kräftiger als vor der Pause (das Werk verlangt es), und sie hat den gestalterischen Atem bis zum furiosen Finale. Ein bis hierhin großartig in sich geschlossenes Konzert.
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